Ungefähr 620 km (über Zaragoza, ist kürzer als über Valencia) trennen beide Metropolen. Die Flugverbindung ist erstklassig. Um Autobahngebühren zwischen Barcelona und Zaragoza zu sparen, können Sie getrost die N - II nehmen (über Cervera (Lérida) und Bujaraloz (Zaragoza)). Die vielen LKW können jedoch lästig werden, wenn nur einspurige Verkehrsführung. Je nach Tageszeit können Sie aber auch Glück haben, und die LKW, die oft Ziele in Mitteleuropa ansteuern, sind schon durch. Die N - II ist top. Ab Zaragoza werden sowieso keine Autobahngebühren mehr erhoben, weil es bis Madrid nur die N - II gibt.
In der Weltstadt Barcelona sind die Menschen, auch ihrem Ruf in ganz Spanien zufolge, verschlossener - aber weltoffener, nicht zuletzt durch den Hafen und die geographische Nähe zum Herzen Europas. Sie identifizieren sich viel mehr mit Europa. In Madrid sind die Leute offener (zumindest oberflächlich gesehen) - aber viel weltverschlossener. Kira, eine sehr offene Katalonin, die seit über fünf Jahren in Madrid lebt, hat meine Überzeugung bestätigt, dass die madrileños nicht offen sind. Sie sind jedoch viel geselliger als die barceloneses. Madrid ist ebenfalls eine Weltstadt, aber keine weltoffene Stadt. Alles ist einfach viel, viel spanischer. Das klingt doch alles wie ein Widerspruch, oder? Es entspricht aber der Wahrheit. Die madrileños sehen oft auch spanischer aus, und viele Katalonier haben ein typisch katalonisches Aussehen (so wie viele Basken typisch baskisch aussehen).
Madrid ist der Sitz der Hauptstadt-Arroganz. Das Wort Arroganz passt am besten nach Madrid. Die Natürlichkeit weicht einer unschönen Zugeknöpftheit. In Madrid kann Spanien deswegen widerlich werden. Hier ist der spanische Stolz im Vergleich zu Barcelona (abgekürzt Barna) besonders ausgeprägt. Die souveränen Katalonen sind da eindeutig unbetonter und natürlicher. Auf dem Weg von Mitteleuropa nach Barcelona mit dem Auto müssen Sie die Pyrenäen tangieren. Schon werden Sie merken, dass Sie in einer anderen Welt gelandet sind. Spanien nimmt halt in geographischer und militärischer Hinsicht eine Sonderstellung ein (Halbinsel, Pyrenäen, Südwest-Lage und Meerenge bei Gibraltar). Auf dem Weg von Barcelona nach Madrid steigen Sie sowohl ins Auto bzw. Flugzeug als auch in eine Zeitmaschine. Madrid ist pannenanfälliger. Die Mentalität ist einfach anders. Madrid ist auch oberflächlicher. Madrid ist im Prinzip der helle Wahnsinn. Madrid ist auch die abgefuckteste Stadt Spaniens. Wenn Sie dort jemand auf der Strasse oder in der Metro anlächelt, muss die Frage folgen: “Hat die Klapsmühle ihm gerade Ausgang gewährt?” Madrid ist sozial kalt, aber die Leute sind okay. Madrid ist einengend. In Barcelona (und auch in Bilbao) können Sie eher Freunde für immer finden, auch wenn der Weg dorthin dornig ist. Zugereiste Spanier, die in Madrid leben, haben es auch schwer, im dortigen Häusermeer Fuss zu fassen. Ein Spanier ohne seine Sandkistenfreunde in seiner Nähe ist schlecht dran. Auf jeden Fall werden Sie als Ausländer besser ins Strassenbild von Barcelona passen (trotz der momentanen Einwanderungswelle vor allem nach Madrid). Die bösen Blicke von einigen Herren um die 60 / 70 werden Sie in Madrid eher treffen. Beim Umzug von Barcelona in die Hauptstadt vollziehen Sie einen Wechsel nach Dunkelspanien. Bedenken Sie dabei, dass Madrid zwischen Barcelona und Andalusien liegt ... Barcelona ist der für Deutsche geeignetere Standort, und die meisten Leute aus westeuropäischen Ländern etablieren sich sowieso dort, natürlich auch aus beruflichen Gründen.
Während in Barcelona neben den catalanes vor allem andaluces und extremeños (aus der Extremadura) leben, die in den 50er und 60er Jahren dorthin ziehen mussten, gibt es in Madrid Zugereiste aus allen Landesteilen (vor allen Dingen aus Castilla y León, Castilla La Mancha, Galicien und Andalusien).
Wenn ich Madrid als “Rio Spaniens” (“Hoch die Tassen!”) bezeichnen würde, so ist Barcelona das “São Paulo des Landes”, wo die Wirtschaft sehr konzentriert ist. Barcelona - sowie das Baskenland, Navarra und La Rioja - sind die am weitesten entwickelten Regionen Spaniens. Das Gewicht Kataloniens innerhalb der spanischen Wirtschaft hat jedoch abgenommen.
Das Nachtleben in Madrid ist viel, viel ausgeprägter. Dies liegt auch daran, dass die Katalonen in der Woche eher dem Rhythmus Arbeit-nach Hause-ins Bett folgen. Sie sind auch individualistischer. Das Wochenende fängt in Madrid, deutlich spürbar, bereits am Donnerstagabend an. Am Freitag und Samstag ist natürlich noch viel mehr los. Es ist beeindruckend, welche Völkerwanderung sich am Freitag- und Samstagabend in die Innenstadt hinein abspielt. Einige Teile des Zentrums sind voller Menschen, und die Blechlawinen strömen parallel dazu ins Zentrum. Treffpunkt Nummer eins ist die Puerta del Sol, das absolute Herz Madrids.
Barcelona ist durch den Port Olímpic (Olympischer Hafen), den Port Vell (Alter Hafen), die Prägung durch Gaudí, die Ramblas (zwischen dem Plaça Catalunya und dem Monument a Colom / Kolumbus-Denkmal) als Stadt einfach schöner und überschaubarer. Barcelona-Stadt hat ca. 1,7 Mio. Einwohner. Madrid-Stadt zählte am 31. Dezember 2003 knapp 3,2 Mio. Bürger. Immer mehr madrileños verlassen die Stadt und ziehen ins Umland. Im Gegensatz zu Madrid (mindestens fünf grosse Satellitenstädte, nämlich Alcorcón, Móstoles, Fuenlabrada, Getafe und Leganés) hat sie nur zwei grosse Schlafstädte hervorgebracht, die da heissen Terrassa und das noch grössere Sabadell.
Madrid hat auch viel Schönes zu bieten, ist im Vergleich aber eher ein Dschungel - ein riesiges Häusermeer. Kulturell haben beide Städte sehr viel zu bieten. Beide können sich durchaus sehen lassen. Die Hauptstadt hat aber ein gewisses Flair, das Barcelona wiederum fehlt. Man kann dies nicht so leicht in Worte fassen. Madrid wird Sie entweder sofort fesseln (z. B. wegen des Nachtlebens) oder kaltlassen. Ungefähr jeder achte Spanier lebt in der Comunidad de Madrid.
Man nennt die souveränen Katalonen in Madrid Polen (polacos), weil sie im Nordosten des Landes leben. Man scheint (unausgesprochen) etwas neidisch auf sie zu sein, zumal Katalonien landesweit als am fortschrittlichsten gilt. Keinesfalls sind die madrileños gut auf die Katalonen zu sprechen. Umgekehrt ist diese Erscheinung nicht so ausgeprägt.
In Barcelona ist der Winter viel erträglicher (viel weniger “Hamburg-Wetter” als in Madrid), was auf den stärkeren Einfluss des Atlantiks in der Hauptstadt zurückzuführen ist. Und nebenbei sei bemerkt: Wenn im Sommer ein Tief an der Biskaya wütet, bleibt es in Madrid zwar sonnig, aber es wird kühl.
Wenn Sie mich fragen, welche Stadt ich Ihnen empfehle, kann ich gar keine klare Aussage machen. Das hängt auch von Ihrer persönlichen Bedürfnisstruktur und Toleranz ab. Ich würde nach wie vor Madrid vorziehen. Bedenken Sie auf jeden Fall den “humanen Granit”, auf den Sie in Madrid werden beissen müssen.
In Madrid sind die Leute am “aggressivsten”, was das Leben im weitesten Sinne angeht. Dies wird einem español, der vom Lande oder von einer Provinzhauptstadt in diese Metropole zieht, besonders bewusst.
Thomas Hansen Kontakt: spanien_von_innen_betrachtet@gmx.de; www.das-spanienbuch.de