Ein ewiges Thema in der Schweiz sind die Ausländer. Das Wort «Das Boot ist voll» wurde während der Judenverfolgung geprägt. Und es macht wieder die Runde, angesichts der Masse von Ex-Jugoslawen, von Muslimen und Menschen aus fremden Kulturen.
Fremde, die sich freiwillig anpassen und nicht provozieren (Kopftuch-Diskussion etc.), wie beispielsweise die fleißigen Tamilen, hat man akzeptiert. Man nimmt sie kaum noch wahr. Andere vom Balkan, pauschal Jugos genannt, werden beargwöhnt, verdächtigt und gerne zu Bösewichten abgestempelt. Da heißt es schnell: Ausländer raus – obgleich doch jeder Fünfte ein Ausländer ist!
Nicht zum ersten Mal. 1960 waren rund 60 Prozent der Ausländer Italiener. 1970 lebten über eine Million Ausländer in der Schweiz. Das war konservativ-bürgerlichen Leuten zuviel. Bereits 1965 wurde die erste “Überfremdungsinitiative” lanciert. Die zweite, die “Schwarzenbach”-Initiative wurde 1970 abgelehnt. Es sollten drei weitere folgen. 1970 wurde die so genannte Kontingentierung (Jahresaufenthalter und Saisonniers) eingeführt. 1991 erreichen Asylgesuche (40.000 pro Jahr) eine Höchstmarke, auch infolge des Bürgerkriegs in Jugoslawien. 1994 stellen Italiener mit 28 Prozent noch immer den Hauptteil der Ausländer, 21 Prozent stammen aus Ex-Jugoslawien. Im Jahr 2004 stammten 87 Prozent aller Immigranten aus Europa, 13,1 Prozent aus Serbien und Montenegro. Ein Viertel der Ausländer wurden in der Schweiz geboren.
Deutsche Einwanderer werden akzeptiert, aber misstrauisch beäugt. Die Deutschen, so der Tenor, sind ja sympathisch und nett als zahlende Gäste, aber als Arbeitnehmer zu selbstbewusst, arrogant, zu laut, natürlich auch zuverlässig und fleißig. Die Schwaben (damit sind auch Hessen, Rheinländer oder Norddeutsche, eben alle Deutsche gemeint), nähmen den Schweizern Jobs weg, monieren Stammtisch-Stimmen. Heimlich stöhnt der Schweizer: Wenn die Schwaben nur nicht so selbstsicher wären und viel besser Deutsch sprechen würden als wir Schweizer!
Liebe Deutsche,
Schön, dass es Euch zu uns in die Deutschschweiz zieht!!
Wir erachten das als ein Kompliment, denn Eurem Entschluss zu uns zu kommen, um bei uns zu arbeiten und zu wohnen, liegt bestimmt mehr als die Aussicht auf unsere relativ guten Gehälter zu Grunde.
Deutsche und deutschweizer Eigenheiten sind sich wohl sehr nah, so dass ein schnelles Einleben und hoffentlich auch Zuhausefühlen nicht allzu schwer fallen dürfte.
Allerdings ist das Vertraute in unserer beiden Charaktereigenschaften (Gründlichkeit, Verlässlichkeit, Fleiß etc.) auch manchmal eine Falle! Es könnte Sie dazu verleiten, die Sensoren, die wir üblicherweise brauchen, wenn wir in einer uns fremden Umgebung sind, nicht mehr zu gebrauchen. Und das kann schnell zu Missverständnissen und Ablehnung führen.
1. Tipp: Autopilot ausschalten! Sensoren ausfahren! Wir Schweizer bewundern die Eloquenz der Deutschen, und wir sind zugegeben auch etwas neidisch. Auf der andern Seite lieben wir unsere Dialekte, sie geben uns unsere Identität.
2. Tipp: Wenn wir uns bemühen, Hochdeutsch zu sprechen, mag das in Ihren Ohren niedlich oder holperig oder unbeholfen klingen. Vermeiden Sie den Fehler zu glauben, Ihr Gegenüber wäre deswegen weniger klug als Sie! Das Schweizerdeutsche ist voll von Diminutiven, doch Achtung und Respekt ist gleichwohl angebracht!
3. Tipp: Bei Fränkli und Räppli zeigen wir wenig Humor. Zu ernst ist uns wohl die Angelegenheit Geld. Darum, vermeiden Sie diese Ausdrücke, es bleibt besser bei Franken und Rappen.
Wenn Sie nicht aus dem süddeutschen Raum stammen, werden Sie am Anfang wohl nur «Bahnhof» verstehen. Unser Dialekt ist Ihnen fremd. Doch nach ein paar Wochen, wenn Sie sich nicht nur mit andern Deutschen umgeben, werden Sie unseren Dialekt mehr und mehr verstehen.
4. Tipp: Außer ein paar Ausdrücken (beispielsweise "Grüezi!") versuchen Sie besser nicht (sofort) unsern Dialekt zu sprechen. Sie werden höchstwahrscheinlich einen starken Akzent beibehalten, und so fühlen sich manche Deutschschweizer veräppelt.
5. Tipp: Sobald Sie unseren Dialekt einigermaßen verstehen, bieten Sie Ihrem Schweizer Gegenüber an, Mundart zu sprechen. Vielen wird dann die Konversation mit Ihnen leichter fallen.
Auch wenn es sich allmählich wandelt, so gilt in der Schweiz Bescheidenheit und Zurückhaltung nach wie vor als eine Zier. Aufschneidereien (Was bin ich doch für ein toller Typ!) und Prahlereien (Mein Haus in Florida, meine Jacht im Mittelmeer…) werden nicht geschätzt. Solche Bemerkungen gelten meistens als ausgesprochen geschmacklos.
6. Tipp: Mit leichtem Understatement kommen Sie besser an!
Schweizer sind nicht berühmt dafür, den Fremden (das kann auch der Landsmann aus dem Tessin oder der Romandie sein!) mit offenen Armen zu empfangen. Oft wird erst mal abgewartet und beobachtet.
7.Tipp: Weshalb machen Sie nicht den ersten Schritt? Sprechen Sie Ihren Nachbarn an und bitten Sie um eine Auskunft. Sie wird Ihnen gerne erteilt und das Eis beginnt zu schmelzen...
Viel Glück! Irène Meier
Dieser Artikel ist ein Auszug aus Leben und Arbeiten in der Schweiz.